
Wenn wir über ADHS sprechen, fällt fast immer das Wort Dopamin. Viele Menschen verbinden damit den „Botenstoff der Motivation“. Doch wie genau hängen Dopamin und ADHS tatsächlich zusammen? Die aktuelle Forschung zeigt: Es ist deutlich komplexer, als nur ein einfacher Dopaminmangel bei ADHS.

Lange Zeit galt die Annahme, dass ADHS durch einen generellen Dopaminmangel entsteht. Neuere Studien zeigen jedoch: Das dopaminerge System funktioniert zwar anders, aber nicht unbedingt „zu schwach“. Es geht vielmehr darum, wie und wo Dopamin im Gehirn freigesetzt und verarbeitet wird.
Vor allem das Belohnungssystem bei ADHS – also der Bereich, der uns motiviert und für kleine Erfolgserlebnisse belohnt – reagiert anders. Das erklärt, warum viele Betroffene Schwierigkeiten haben, Aufgaben ohne sofortige Belohnung motiviert zu bearbeiten.
Neue bildgebende Verfahren zeigen, dass im Nucleus accumbens, einem zentralen Teil des Belohnungssystems, bei ADHS oft eine veränderte Dopaminaktivität besteht. Das betrifft vor allem Menschen, die noch keine Medikamente eingenommen haben. Hier lässt sich häufig eine geringere Dopamintransporter-Verfügbarkeit nachweisen.
Das bedeutet: Die Signalübertragung von Dopamin bei ADHS ist nicht grundsätzlich „zu wenig“, sondern anders geregelt – besonders in den Bereichen, die für Motivation, Lernen und Zielverfolgung entscheidend sind.

Stimulanzien wie Methylphenidat oder Amphetamine wirken, indem sie den Dopamin- und Noradrenalintransportim Gehirn blockieren. Dadurch bleibt mehr Dopamin im synaptischen Spalt – also dort, wo die Signalübertragung stattfindet.
Spannend ist, dass der Effekt nicht bei allen gleich ist: Studien zeigen, dass die Wirkung von Methylphenidat auch von den Ausgangswerten der Dopaminverfügbarkeit abhängt. Das erklärt, warum nicht jeder Betroffene gleich stark auf Medikamente reagiert.
Viele Schwierigkeiten bei ADHS lassen sich mit der Art erklären, wie das Gehirn auf Belohnung reagiert. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Dopamin bei ADHS die sogenannten Vorhersagefehler (prediction errors) anders verarbeitet – also die Abweichung zwischen Erwartung und Ergebnis.
Das führt dazu, dass Lernen ohne sofortige Rückmeldung oder Belohnung schwerer fällt. Gleichzeitig kann es helfen zu verstehen, warum Betroffene bei interessanten, stimulierenden Tätigkeiten plötzlich hochkonzentriert sind – hier wird das Dopaminsystem stark aktiviert.
Neuere genetische Studien betonen, dass ADHS nicht durch ein einzelnes Dopamin-Gen erklärt werden kann. Vielmehr sind viele kleine genetische Faktoren beteiligt, die zusammenwirken. Die Dopaminregulation ist also Teil eines größeren Netzwerks, das auch Noradrenalin und andere Neurotransmitter einschließt.
Zudem werden die Messmethoden immer genauer: Neue PET-Verfahren können feine Unterschiede in der Dopaminfreisetzung sichtbar machen. Das hilft, widersprüchliche ältere Studien zu verstehen und die Rolle von Dopamin bei ADHS präziser einzuordnen.

Die Forschung zeigt klar: Dopamin und ADHS sind eng miteinander verbunden, aber nicht im Sinne eines simplen Mangels. Es geht um Verteilung, Aktivität und Balance – also darum, wie Dopamin im Gehirn arbeitet.
Ein gesundes Verständnis dieser Prozesse hilft, Behandlung und Therapie individueller zu gestalten – sei es durch Medikation, Verhaltenstherapie oder gezielte Alltagsstrukturen, die Motivation und Belohnung sinnvoll nutzen.
Haben wir Ihr Interesse geweckt?
MacDonald, H. J., Kleppe, R., Szigetvari, P. D., & Haavik, J. (2024). The dopamine hypothesis for ADHD: An evaluation of evidence accumulated from human studies and animal models. Frontiers in Psychiatry, 15, 1492126. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2024.1492126 (PMC)
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