Sensorische Überladung ist ein Phänomen, das bei Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) häufig beobachtet wird. Dabei wird das Nervensystem durch Reize wie Licht, Geräusche, Berührungen usw. überlastet, was zu Stress und Schwierigkeiten bei der Reizverarbeitung führen kann. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die Zusammenhänge zwischen sensorischer Überladung und ADHS und zeigt, warum dieses Thema für Betroffene und ihre Familien so wichtig ist.
Sensorische Überladung tritt auf, wenn unser Gehirn nicht in der Lage ist, eingehende Sinnesreize effektiv zu filtern. Menschen mit ADHS haben häufig eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber sensorischen Stimuli. Das bedeutet, dass alltägliche Reize wie laute Geräusche oder grelles Licht schnell überwältigend wirken können. Diese Hypersensibilität kann die multisensorische Integration beeinträchtigen, also die Fähigkeit, Informationen aus verschiedenen Sinnen wie Sehen und Hören zu kombinieren (Schulze et al., 2022).
Studien zeigen, dass sensorische Überladung bei ADHS sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen weit verbreitet ist. Betroffene reagieren häufig stärker auf Reize, was zu Schwierigkeiten führt, irrelevante Informationen auszublenden. Insbesondere auditive (hören) und visuelle Reize (sehen) können überwältigend sein und die Konzentration beeinträchtigen (Schulze et al., 2020)
Ebenfalls häufig beeinträchtigt ist die Fähigkeit zur sensorischen Hemmung. Menschen mit ADHS fällt es schwer, unwichtige Reize zu ignorieren, was oft zu erhöhter Ablenkbarkeit führt (Micoulaud-Franchi et al., 2019) Die Folge ist eine Überlastung der kognitiven Ressourcen, die wichtige Alltagsaufgaben wie Lernen, Arbeiten und soziale Interaktionen erheblich erschwert.
- Multisensorische Verarbeitung: Kinder mit ADHS profitieren weniger von multisensorischen Inputs, was darauf hindeutet, dass die Verarbeitung mehrerer Reize gleichzeitig ineffizient ist. Dies kann zu längeren Reaktionszeiten führen und die Fähigkeit beeinträchtigen, komplexe Aufgaben zu bewältigen (Molholm et al., 2020).
- Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA): Es gibt Hinweise darauf, dass sensorische Überempfindlichkeit die HPA-Achse beeinflusst, die für die Stressregulation verantwortlich ist. Dies könnte erklären, warum sensorische Überladung bei ADHS-Betroffenen häufig mit erhöhtem Stress verbunden ist (Reynolds et al., 2010).
- Visuelle Wahrnehmung: Kinder mit ADHS zeigen oft eingeschränkte visuelle Wahrnehmungsfähigkeiten. Dies Tatsache unterstreicht die komplexen Herausforderungen bei der Reizverarbeitung und ihre Auswirkungen auf das Lernen und die motorische Koordination (Jung et al., 2014)
Für Betroffene ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, um mit sensorischer Überladung umzugehen. Hier sind einige Ansätze, die helfen können:
Ausführliche Tipps zum Umgang mit sensorischer Überladung finden Sie im nächsten Blogbeitrag zum Thema ADHS.
Sensorische Überladung ist eine zentrale Herausforderung bei ADHS, die das tägliche Leben von Betroffenen erheblich beeinflussen kann. Durch ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und die Anwendung individueller Strategien können Betroffene jedoch lernen, besser mit diesen Herausforderungen umzugehen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Eltern, Lehrer und Therapeuten die Bedeutung dieses Themas erkennen und Unterstützungsangebote schaffen. So kann die Lebensqualität von Menschen mit ADHS langfristig verbessert werden.
Quellen:
1. Schulze, M., Aslan, B., Lux, S., & Philipsen, A. (2022). Deficient multisensory integration with concomitant resting-state connectivity in adult ADHD. European Psychiatry. https://doi.org/10.1192/j.eurpsy.2022.846
2. Reynolds, S., Lane, S., & Gennings, C. (2010). The moderating role of sensory overresponsivity in HPA activity. Journal of Attention Disorders, 14(3), 1-8. https://doi.org/10.1177/1087054708329906
3. Schulze, M., Lux, S., & Philipsen, A. (2020). Sensory processing in adult ADHD – A systematic review. Research Square. https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-71514/v1
4. Micoulaud-Franchi, J. A., Lopez, R., Cermolacce, M., Vaillant, F., Périer, P., Boyer, L., Richieri, R., Bioulac, S., Sagaspe, P., Philip, P., Vion-Dury, J., & Lançon, C. (2019). Sensory gating capacity and attentional function in adults with ADHD: A preliminary neurophysiological and neuropsychological study. Journal of Attention Disorders, 23(7), 705-715. https://doi.org/10.1177/1087054716629716
5. Schramm, M., Fjaellingsdal, T. G., Aslan, B., Jung, P. C., Lux, S., Schulze, M., & Philipsen, A. (2023). Electrophysiological evidence for increased auditory crossmodal activity in adult ADHD. Frontiers in Neuroscience.https://doi.org/10.3389/fnins.2023.1227767
6. Jung, H., Woo, Y. J., Kang, J. W., Choi, Y., & Kim, K. (2014). Visual perception of ADHD children with sensory processing disorder. Psychiatry Investigation, 11(2), 119-125. https://doi.org/10.4306/pi.2014.11.2.119
7. Molholm, S., Murphy, J. W., Bates, J. C., Ridgway, E. M., & Foxe, J. J. (2020). Multisensory audiovisual processing in children with a sensory processing disorder (I): Behavioral and electrophysiological indices under speeded response conditions. Frontiers in Integrative Neuroscience. https://doi.org/10.3389/fnint.2020.00004