12. September 2024

Autismus im Erwachsenenalter

Autismus wird oft mit der Kindheit in Verbindung gebracht, doch viele Menschen leben auch im Erwachsenenalter mit einer Autismusspektrumstörung (ASD), ohne es zu wissen. Eine späte Erkenntnis über das Vorhandensein dieser Diagnose kann das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen, sowohl im positiven Sinne durch Klarheit über die eigene Persönlichkeit, als auch im negativen Sinne, wenn jahrelange Herausforderungen unerkannt blieben. In diesem Beitrag erfährst du, wie man Autismus im Erwachsenenalter selbst erkennen kann, welche Symptome typisch sind und wie man sich selbst oder Betroffenen Unterstützung bieten kann.

Wie erkennt man Autismus im Erwachsenenalter?

Viele Erwachsene, die sich im Autismus-Spektrum befinden, wissen oft nicht, dass ihre täglichen Schwierigkeiten auf Autismus zurückzuführen sind. Häufig kommen sie erst nach Jahren, manchmal auch nach Diagnosen von Kindern in der eigenen Familie, darauf, dass sie selbst betroffen sein könnten. Es gibt mehrere Anzeichen, auf die man achten kann, um Autismus im Erwachsenenalter zu erkennen:

- Soziale Interaktionsprobleme: Wenn du merkst, dass du Schwierigkeiten hast, soziale Interaktionen zu verstehen oder dich in Gruppen unwohl fühlst, könnte dies ein Zeichen sein. Viele Betroffene empfinden Small Talk als anstrengend oder haben Probleme damit, soziale Signale wie Gesichtsausdrücke oder Körpersprache zu deuten (Nadeem et al., 2021).

- Routinen und starre Strukturen: Menschen mit Autismus bevorzugen oft feste Routinen und Strukturen im Alltag. Veränderungen oder spontane Planänderungen können starken Stress auslösen. Wenn du das Bedürfnis hast, an bestimmten Mustern festzuhalten und Veränderungen für dich schwer erträglich sind, könnte dies ein Hinweis auf Autismus sein (Murad et al., 2014).

- Intensive Interessen: Ein weiteres Merkmal ist die starke Fokussierung auf spezifische, oft ungewöhnliche Interessen. Während andere Menschen Hobbys wechseln oder unterschiedliche Dinge ausprobieren, neigen Autisten dazu, sich intensiv und über einen langen Zeitraum mit wenigen Themen zu beschäftigen. Dies kann in Bereichen wie Wissenschaft, Technik oder Kunst hilfreich sein, kann aber auch zu sozialer Isolation führen (Henley, 2020).

- Empfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen: Autismus ist oft mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Gerüchen, Berührungen oder Licht verbunden. Wenn dich alltägliche Reize wie laute Geräusche oder grelles Licht schnell überfordern, könnte dies ein weiteres Anzeichen sein (Nadeem et al., 2021).

Typische Symptome bei Erwachsenen

Neben den oben genannten Anzeichen gibt es weitere typische Symptome, die auf Autismus hinweisen können:

- Kommunikationsschwierigkeiten: Viele Betroffene empfinden es als schwierig, ihre Gefühle auszudrücken oder Gespräche mit anderen zu beginnen und aufrechtzuerhalten. Oft wird der Gesprächsfluss unterbrochen, oder es fällt schwer, sich in andere hineinzuversetzen (Murad et al., 2014).

- Probleme mit der Körperwahrnehmung: Manche Menschen mit Autismus haben Schwierigkeiten, ihren Körper im Raum zu spüren, was sich durch Ungeschicklichkeit oder unbewusstes Stimming (z.B. wiederholtes Wippen oder Fingerklopfen) äußern kann (Henley, 2020).

- Schwierigkeiten in Beziehungen: Partnerschaften und Freundschaften können für Menschen im Autismus-Spektrum herausfordernd sein, da soziale Erwartungen schwer zu verstehen sind. Konflikte entstehen oft durch Missverständnisse in der Kommunikation (Iversen & Kildahl, 2022). Tatsächlich werden Betroffene manchmal mit anderen Störungen wie Persönlichkeitsstörungen verwechselt, bevor sie eine genaue Autismus-Diagnose erhalten.

Unterstützung und Hilfe für Erwachsene mit Autismus

Es ist wichtig zu betonen, dass eine Diagnose im Erwachsenenalter eine große Erleichterung sein kann, da sie die Herausforderungen, die man möglicherweise schon ein Leben lang spürt, verständlich macht. Die Unterstützung für Erwachsene mit Autismus kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:

- Selbsthilfe: Wenn du bei dir selbst Anzeichen von Autismus erkennst, kann es helfen, sich in Foren oder Gruppen mit anderen Betroffenen auszutauschen. Viele finden es entlastend, zu erfahren, dass sie nicht allein mit ihren Erfahrungen sind (Henley, 2020).

- Professionelle Unterstützung: Eine formale Diagnose durch einen Psychologen oder Psychiater kann helfen, gezielte Therapien in Anspruch zu nehmen. Verhaltenstherapie, speziell auf Autismus ausgerichtete Interventionen, oder Coaching können dabei unterstützen, mit alltäglichen Herausforderungen besser umzugehen (Murad et al., 2014).

- Berufliche Unterstützung: Viele Erwachsene mit Autismus benötigen Unterstützung im beruflichen Kontext, insbesondere bei sozialen Interaktionen oder Strukturierung des Alltags. Anpassungen am Arbeitsplatz, wie flexible Arbeitszeiten oder ein ruhiger Arbeitsplatz, können helfen, Stress zu reduzieren (Henley, 2020).

- Soziales Netzwerk: Freunde und Familie können eine wertvolle Stütze sein. Indem sie die Herausforderungen von Autismus besser verstehen, können sie helfen, ein unterstützendes und verständnisvolles Umfeld zu schaffen (Nadeem et al., 2021).

Fazit

Autismus im Erwachsenenalter zu erkennen, kann eine große Herausforderung sein, besonders wenn man lange Zeit ohne Diagnose gelebt hat. Die Symptome reichen von sozialen Schwierigkeiten bis hin zu starren Routinen und sensorischen Überempfindlichkeiten. Doch das Erkennen dieser Anzeichen ist der erste Schritt zur Verbesserung der Lebensqualität. Unterstützung gibt es sowohl durch Selbsthilfegruppen als auch durch professionelle Therapeuten. Eine späte Diagnose kann eine enorme Erleichterung bringen, da sie das eigene Leben verständlicher macht und neue Wege zur Bewältigung eröffnet (Henley, 2020; Iversen & Kildahl, 2022).

Quellen:

- Henley, R. (2020). Being diagnosed with autism in adulthood: A personal case study. Advances in Autism, 6(2), 1-14.

- Iversen, S., & Kildahl, A. (2022). Case report: Mechanisms in misdiagnosis of autism as borderline personality disorder. Frontiers in Psychology, 13, 203-214.

- Murad, A., Fritsch, A., Bizet, É., & Schaal, C. (2014). L’autisme à l’âge adulte: Bilan diagnostique et aspects thérapeutiques. Archives of Psychiatry, 70(5), 385-399. 

- Nadeem, M., Murtaza, B. N., Al-Ghamdi, M. A., Ali, A., Zamzami, M., Khan, J., Ahmad, A., & Rehman, M. U. (2021). Autism - A comprehensive array of prominent signs and symptoms. Current Topics in Medicinal Chemistry, 21(3), 225-238. 

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Patrick Pfarrer
M.Sc. Psychologie / MAS Psychotherapie
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