Selbstverletzendes Verhalten ist ein schwieriges Thema, das in den letzten Jahren stärker ins Blickfeld von Forschung und Öffentlichkeit gerückt ist. Dieses Verhalten, das oft missverstanden wird, umfasst Handlungen, bei denen sich Betroffene absichtlich verletzen, um mit seelischen oder psychischen Belastungen umzugehen. In diesem Beitrag werden die Ursachen, Erscheinungsformen und sozialen Aspekte von Selbstverletzung näher beleuchtet und aktuelle Studien vorgestellt.
Selbstverletzendes Verhalten bedeutet, sich absichtlich Schmerzen zuzufügen, ohne dass ein Wunsch nach Suizid besteht. Dazu zählen etwa das Schneiden, Verbrennen oder Schlagen des eigenen Körpers sowie das Einnehmen schädlicher Stoffe. Viele Menschen nutzen diese Methoden, um mit starken Gefühlen, Stress oder traumatischen Erfahrungen fertigzuwerden. Diese Handlungen verschaffen zwar kurzfristig Erleichterung, können aber langfristig zu gesundheitlichen Problemen und einer Verschärfung psychischer Leiden führen.
Die Gründe für selbstverletzendes Verhalten sind vielfältig. Zu den häufigsten Auslösern gehören emotionale Schmerzen und traumatische Erlebnisse wie Missbrauch, Vernachlässigung oder Verluste. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen, Ängste oder Essstörungen können selbstschädigendes Verhalten begünstigen. Neben den emotionalen Gründen, spielt selbstverletzendes Verhalten auch wegen Überforderung und dem Gefühl der Machtlosigkeit eine Rolle. Ebenso können soziale und kulturelle Einflüsse bedeutsam sein. In bestimmten Gruppen oder Szenen wird Selbstverletzung manchmal als Ausdruck innerer Not verstanden oder sogar als Teil der Identität gesehen.
Das Internet und soziale Medien haben die Sichtweise auf selbstverletzendes Verhalten stark verändert. In vielen Online-Gruppen berichten Betroffene von ihren Erlebnissen, teilen Bilder ihrer Verletzungen oder geben sogar Anleitungen. Selbstverletzendes Verhalten kann auf solchen Plattformen daher einen "Ansteckungseffekt" haben – vor allem bei jungen Menschen in bestimmten Subkulturen wie der "Emo"-Szene.
Ein wichtiger Begriff in diesem Zusammenhang ist der "Looping-Effekt" des Philosophen Ian Hacking. Menschen übernehmen Begriffe und Symptome aus der Psychiatrie, um sich selbst zu erklären oder darzustellen. Dadurch kann sich das Verhalten verstärken. Besonders in sozialen Medien beeinflussen diese Darstellungen, wie Betroffene sich selbst und ihr selbstschädigendes Verhalten erleben.
Selbstverletzendes Verhalten birgt viele gesundheitliche Gefahren: Infektionen, bleibende Narben, Nerven- oder Gewebeschäden und im schlimmsten Fall körperliche Behinderungen. Ein gefährliches Risiko ist, dass selbstverletzendes Verhalten die Auseinandersetzung mit den wahren seelischen Ursachen erschwert. Darüber hinaus ist das Risiko für Suizid bei Betroffenen erhöht.
Die Behandlung von selbstverletzendem Verhalten muss umfassend sein. Dazu gehören psychologische und medizinische Ansätze. Besonders wirksam sind zum einen die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), bei der neue Wege im Umgang mit belastenden Gefühlen erlernt werden, und zum anderen die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT), die besonders für Menschen mit einer Borderline-Störung entwickelt wurde. Auch Medikamente können in bestimmten Fällen hilfreich sein. Zusätzlich kann der Austausch in Selbsthilfegruppen helfen, Isolation zu verringern und Hoffnung zu geben.
Selbstverletzendes Verhalten ist ein vielschichtiges Problem, das tief in sozialen, kulturellen und psychischen Prozessen verwurzelt ist. Um wirksam helfen zu können, braucht es ein gutes Verständnis der Ursachen und passende Hilfsangebote. Ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl seelische als auch körperliche Aspekte berücksichtigt und Selbstverletzendes Verhalten mit einbezieht, ist besonders hilfreich. Durch Therapie sowie durch soziale Unterstützung können Betroffene neue Wege im Umgang mit ihren Problemen finden und wieder Lebensfreude gewinnen.
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