In der Psychotherapie spielt das Verständnis darüber, wie wir Erinnerungen verarbeiten, eine entscheidende Rolle. Jeder von uns hat Erfahrungen gemacht, die wir lieber vergessen würden – peinliche Momente oder schmerzhafte Erlebnisse. Doch wie beeinflusst das bewusste Unterdrücken dieser Erinnerungen unsere psychische Gesundheit?
Neueste Forschungen zeigen, dass unser Gehirn – speziell der Hippocampus – aktiv daran beteiligt ist, wie wir Erinnerungen speichern und abrufen. Dieser Prozess ist nicht nur für das Lernen essenziell, sondern auch dafür, wie wir mit traumatischen Erfahrungen umgehen. In der Psychotherapie wird dieses Wissen genutzt, um Menschen zu helfen, die von belastenden Erinnerungen heimgesucht werden, wie es oft bei der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) der Fall ist.
Das Unterdrücken von Erinnerungen kann kurzfristig eine Erleichterung bringen. Patienten lernen, die Kontrolle über ihre traumatischen Erinnerungen zurückzugewinnen, indem sie lernen, weniger emotional auf die Erinnerung an das Trauma zu reagieren. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass solche Techniken die emotionale Belastung einer Erinnerung verringern können, indem die Gehirnaktivität, die normalerweise beim Abrufen dieser Erinnerungen auftritt, reduziert wird.
Es gibt jedoch auch eine Kehrseite: Während das Unterdrücken bestimmter Erinnerungen kurzfristig helfen kann, warnen Experten davor, dass diese Erinnerungen immer noch unbewusst weiterwirken können. Nicht verarbeitete Traumata können weiterhin Einfluss auf unser Verhalten und Wohlbefinden haben, selbst wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Daher ist es wichtig, einen Mittelweg zu finden – einen Weg, der es ermöglicht, schmerzhafte Erinnerungen nicht nur zu unterdrücken, sondern sie auch zu verarbeiten und zu integrieren.
In der therapeutischen Praxis werden Techniken wie die kognitive Verhaltenstherapie und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) eingesetzt, um Patienten zu helfen, ihre Erinnerungen und die damit verbundenen Emotionen zu verarbeiten. Diese Methoden helfen nicht nur beim Umgang mit Traumata, sondern fördern auch ein tieferes Verständnis für die eigenen emotionalen Reaktionen und wie man diese effektiv steuern kann.
Dieses Wissen um die Dynamik zwischen Erinnern und Vergessen bietet uns wertvolle Einblicke, wie wir unsere psychische Gesundheit stärken können. Es ermutigt uns, unsere eigenen Erinnerungen bewusster zu erleben und zu verarbeiten. Denn letztendlich ist es das Ziel der Psychotherapie, nicht nur Symptome zu lindern, sondern auch die psychische Resilienz zu fördern und eine tiefgreifende Heilung zu ermöglichen.
Für jeden, der sich auf diesen Weg begibt, ist es wichtig zu erkennen, dass sowohl das Erinnern als auch das Vergessen essenzielle Bestandteile unserer psychischen Gesundheit sind. Sie ermöglichen es uns, aus der Vergangenheit zu lernen und gleichzeitig offen für die Freuden und Herausforderungen des gegenwärtigen Moments zu bleiben.
Quellen:
1. Gagnepain, P., et al. (2020). Resilience after trauma: The role of memory suppression. *Science*, 367(6479). https://dx.doi.org/10.1126/science.aay8477
2. Farrell, D., et al. (2023). Group early intervention eye movement desensitization and reprocessing therapy as a video-conference psychotherapy with frontline/emergency workers in response to the COVID-19 pandemic in the treatment of post-traumatic stress disorder and moral injury—An RCT study. *Frontiers in Psychology*. https://dx.doi.org/10.3389/fpsyg.2023.1129912
3. Davidson, T. L., & Stevenson, R. J. (2024). Vulnerability of the Hippocampus to Insults: Links to Blood–Brain Barrier Dysfunction. *International Journal of Molecular Sciences*, 25(4). https://dx.doi.org/10.3390/ijms25041991
4. Nash, C. (2022). Enhancing Hopeful Resilience Regarding Depression and Anxiety with a Narrative Method of Ordering Memory Effective in Researchers Experiencing Burnout. *Challenges*, 13(2). https://dx.doi.org/10.3390/challe13020028
5. Kerswell, N. L., et al. (2020). Memory Reconsolidation Therapy for Police Officers with Post-traumatic Stress Disorder. *Journal of Police and Criminal Psychology*, 35(1). https://dx.doi.org/10.1007/s11896-020-09363-5